Der Biergarten in Pullach
Knapp 10 Jahre im Dienst, Klassenfahrt zu Beginn des Schuljahres mit meiner Klasse 10 nach München. Durch „glückliche Umstände“ die Zusage von Burg Schwaneck, der stark nachgefragten Pullacher Jugendherberge, erhalten. Ein Kleinod am Stadtrand von München, in der Nähe des Bundesnachrichtendienstes (heute in Berlin), mit optimaler Verkehrsanbindung zum Münchener Zentrum.
An einem Nachmittag erkundete die Klasse in kleinen Gruppen Pullach. Obwohl die Eltern schriftlich zugestimmt hatten, war mir etwas mulmig. Es ging aber alles gut, die Schülerinnen und Schüler konnten mit Verantwortung umgehen.
Mich zog es in ein Café.
Da bekam ich mit, dass es in der Nähe einen großen Biergarten, die Waldwirtschaft Großhesselohe, gibt. Es war noch Zeit, den Fußweg dahin zu erkunden, er war als Trimmpfad gestaltet.
Zwei Tage später vor dem Abendessen meine Ankündigung:
„Nachher machen wir gemeinsam Sport, wir gehen auf einen Trimmpfad!“
Kopfschütteln, intensive Gespräche beim Abendessen mit dem Tenor: „Das macht der Engel bestimmt nicht, das ändert er noch ab.“
Nach dem Abendessen gab es noch 20 Minuten Zeit zum Umziehen in Sportklamotten.
Die Klasse staunte nicht schlecht. Auch ich hatte Sportkleidung an, sie sah älter aus, lag etwas eng an. Unübersehbar eine nagelneue Trillerpfeife um den Hals.
Nach schrillem Pfiff:
„Wir lassen es langsam angehen und gehen gemeinsam zum Trimmpfad.“
Bei der ersten Station kontrollierte ich meine Schnürsenkel und legte los.
Schnell kam ich ins Schnaufen.
Ein unüberhörbarer Kommentar:
„Das haben Sie sich selbst eingebrockt!“
Bei der 2. Station:
„Christian, bitte vorlesen und vorführen!“
Die Begeisterung hielt sich in Grenzen. Als Sportler wollte er aber Vorbild sein, auf keinen Fall sollte es so dürftig aussehen wie bei mir.
Nach der bravourösen Vorführung wählte er für das nächste Hindernis eine gleich sportliche Mitschülerin aus.
So blieb mir nur die Trillerpfeife und der Fingerzeig auf das nächste Hindernis.
Nach einer dreiviertel Stunde hörten wir Musik und Gespräche.
Kurzer Einsatz der Trillerpfeife, so viel Puste hatte ich noch, dann standen wir im Kreis und rätselten, was das denn wohl sei.
„Da müssen wir nachschauen, es könnte ein Biergarten sein.“
Von den Fußlahmen:
„Nee, ich will in die Jugendherberge, habe eh kein Geld dabei.“
„Der hat das vorher gewusst, aber absichtlich nichts gesagt.“
„Wenn man kein Geld hat, dann kann man nichts kaufen, und er ist auch wegen dem Alkohol elegant aus dem Schneider.“
Die Stimmung drohte zu kippen.
Wir näherten uns der Geräuschquelle, tatsächlich, wir standen vor einem gut gefüllten
Biergarten.
Jetzt hatte ich erst recht den Zorn von vielen auf mich gezogen.
„Wir stehen hier und können noch nicht mal eine Cola trinken, in Sportklamotten hat man kein Geld dabei.“
Dann griff ich in die Hosentasche und zog einen Bündel 5 DM-Scheine heraus.
Verdutzte Gesichter.
„Wo kommen die denn her?“
Ein Kommentar:
„Das mit dem Trimmpfad war doch nur Ablenkung, der wusste von dem Biergarten.“
Meine Ansage:
„Wer sich 5 DM bei mir leihen will, kann das tun, wir bleiben eine halbe Stunde hier.“
Ich gab dem ersten Schüler einen 5-DM Schein aus, dann dem zweiten. Als ich so etwa beim siebten war, fragte er mich:
„Wissen Sie am Ende noch, wem Sie Geld gegeben haben?“
„Nee, Hauptsache, ihr wisst, wer sich wie viel Geld von mir hat geben lassen!“
Mein Bündel reichte, es war noch was übrig.
Am nächsten Nachmittag hatte ich unaufgefordert mein Geld auf Heller und Pfennig zurückbekommen.
Überraschen, Vertrauen haben, Vertrauen genießen